Verleihung der Eintragungsurkunde: Bereits am 17. Dezember 2020 hatte der zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe das Bauhüttenwesen in das Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die Bewerbung war von 18 Bauhütten aus fünf europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Norwegen, Österreich, Schweiz) eingereicht worden. Am 20. Mai 2022, erhielten in Straßburg Vertreter der beteiligten Bauhütten und der Vorstand der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Hüttenmeister, Dombaumeister e. V., offiziell die Urkunden über die Eintragung als Immaterielles Kulturerbe.
Die Vertreter der österreichischen Dombauhütten in Linz und Wien erhielten ihre Urkunden durch Mag. Patrizia Jankovic vom Generalsekretariat der Österreichischen UNESCO-Kommission. Für die Dombauhütte des Linzer Mariendoms nahm Dombaumeister DI Wolfgang Schaffer die Urkunde entgegen. Der volle Name der Eintragung lautet „Das Bauhüttenwesen der Großkirchen Europas – Weitergabe, Dokumentation, Bewahrung und Förderung von Handwerkstechniken und ‑wissen“.
Die Bewerbung war gemeinsam von der Dombauhütte Aachen, der Staatlichen Dombauhütte Bamberg, der Stiftung Basler Münsterbauhütte, der Zwingerbauhütte Dresden (der einzigen säkularen Bauhütte des Verbundes), der Münsterbauhütte Freiburg, der Kölner Dombauhütte, der Dombauhütte Mariendom Linz, der Kirchenbauhütte Lübeck, der Dombauhütte Mainz, der Staatlichen Dombauhütte Passau, der Staatlichen Dombauhütte Regensburg, der Münsterbauhütte Schwäbisch Gmünd, der Dombauhütte St. Maria zur Wiese Soest, der Fondation de l’Œuvre Notre-Dame de Strasbourg, der Nidaros Domkirkes Restaureringsarbeider (Trondheim), der Münsterbauhütte Ulm, der Dombauhütte zu St. Stephan Wien sowie der Dombauhütte Xanten eingereicht worden.
Die Dom- und Münsterbauhütten zeichnet eine multidisziplinäre Zusammenarbeit aus: Eine Bauhütte setzt sich aus der Gesamtheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen, von Lehrlingen über Gesell*innen bis zu Hüttenmeister*innen und Dom-/Münsterbaumeister*innen. Sie geben Wissen, handwerkliche Fertigkeiten und Fähigkeiten verschiedenster Gewerke weiter, bilden Nachwuchs aus, halten Feste und Rituale lebendig, dokumentieren ihre Arbeiten und repräsentieren das Bauhüttenwesen nach außen. Zum Kollegium zählen auch Archivar*innen, Kunsthistoriker*innen, Pressereferent*innen und kaufmännische Mitarbeiter*innen. Im Wesentlichen verstehen sich die Bauhütten als Kompetenzzentren rund um den Stein.
„Unser Team ist breit gefächert, da arbeitet die Kunsthistorikerin eng mit dem Steinmetzen, der Restauratorin und dem Geologen zusammen, um gemeinsam das Steinwerk zu erkunden und optimale Wege für die Erhaltung zu sichern“, erklärt Eric Fischer, Leiter der Fondation de l’Œuvre Notre-Dame in Strasbourg. Darüber hinaus ist gerade in den letzten Jahrzehnten die Öffentlichkeitsarbeit hinzugekommen, um das breite Publikum sowie Mäzen*innen auf die Anliegen der Erhaltung der jeweiligen Bauwerke aufmerksam zu machen sowie die Identifikation der Bevölkerung mit den Bauhütten zu stärken. Auf institutioneller Ebene sind für die Bauhütten jeweils unterschiedliche Organe zuständig: Sie können in kommunaler, kirchlicher oder staatlicher Trägerschaft sein beziehungsweise von einem Verein oder einer Stiftung getragen werden.
Der Vorsitzende der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Hüttenmeister, Dombaumeister e. V., und Wiener Dombaumeister Wolfgang Zehentner freut sich über die Aufnahme des Bauhüttenwesens in das Register Guter Praxisbeispiele: „Die Bauhütten sind für die Erhaltung der wichtigen Europäischen Wahrzeichen, die Ihnen anvertraut sind, essentiell. Nur durch die kontinuierliche Weitergabe des traditionellen Wissens um das Bauwerk und die Bautechniken war es möglich, nach dem Krieg und nach verschiedenen anderen Katastrophenfällen, in denen sie schwer beschädigt worden waren, sie wieder aufzubauen, zu pflegen und ihre Funktion als Identifikationsobjekt zu erhalten."
Wie verletzlich das kulturelle Erbe in seiner Substanz ist, führt uns das gegenwärtige Weltgeschehen ebenso vor Augen wie der Brand von Notre Dame in Paris. Intensive Kenntnis der Kulturbauten und der Bautechniken sowie die intensive Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg ist die Voraussetzung, diese Verletzlichkeit auszugleichen.
Für die Verantwortlichen der Kathedralen ist dieses internationale Prädikat des „immateriellen Kulturerbe“ der UNESCO eine große Hilfe für die notwendige öffentliche Akzeptanz. Es verstärkt noch einmal die seit dem Mittelalter ausgeprägte Zusammenarbeit. Man werde sich bemühen, so versichern die Verantwortlichen, dieses Erbe weiterhin mit Leben zu erfüllen!
Weiterführende Informationen dazu finden Sie unter:
www.bauhuetten.org ■ www.ateliersdecathedrales.org ■ www.cathedral-workshops.org
Foto 1 von links: Wolfgang Schaffer (Dombaumeister Mariendom Linz), Wolfgang Zehetner (Vorsitzender der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Hüttenmeister, Dombaumeister e. V., und Wiener Dombaumeister), Patrizia Jankovic vom Generalsekretariat der Österreichischen UNESCO-Kommission / © Geneviève Engel/ Eurométropole de Strasbourg
Foto 2 und 3 : Dombauhütte Mariendom Linz / © Diözese Linz, Appenzeller